Wozu eine Mappe, wenn man einen ganzen Koffer haben kann?
Wozu haben die Models diese Staffel eigentlich eine Modelmappe? In meinen Augen eine durchaus berechtigte Frage. Schließlich würde sich so ein CD-Koffer, wie ihn DJs früher mit sich rumgetragen haben, doch viel besser anbieten bei der Anzahl an Videodrehs, die es heuer gibt. Neue Regulative sind also gefragt: Wenn du zu einem Casting gehst, vergiss niemals: deine Modelmappe, hautfarbige Unterwäsche, High Heels, deine Zahnbürste (fragt mich nicht wieso, „Austrias Next Topmodel“-Jurymitglied Marina Hoermanseder war der Meinung, dass man diese immer mit sich tragen muss – vielleicht um Kotzbröckel zwischen den Zähnen zu entfernen) und jetzt neu: deinen DVD-Koffer inklusive portable DVD-Player. Und sollten bei dieser Vielzahl an Materialien die Castingdirektoren noch immer nicht restlos überzeugt sein, dann können die Models seit Folge Nummer acht auch noch die ultimative Überzeugungswaffe drauflegen: ein Plastik-Krönchen von der „Miss Topmodel 2018“.
Basteln statt Baguette
Eines muss man schon zugeben, während die Kandidaten von „Austrias Next Topmodel“ höchstens in die Hofer Backstube pilgern um zu einem Casting zu gelangen, geht es für die Mädchen von „Germanys Next Topmodel“ tatsächlich rund um den Globus. Vorletzte Woche Mexiko, letzte Woche Portugal, diese Woche Paris. Zwar ist der Jetlag bestimmt nicht förderlich für die anstehenden Challenges, aber trotzdem noch besser als laut applaudieren zu müssen, wenn es mal wieder nach Gramatneusiedl geht. In die französische Hauptstadt lädt dieses Mal das Modemagazin „Elle“ für eine mehrseitige Fotostrecke, in der Blazer verkauft werden müssen. Und wie findet man am besten raus, wem so ein Blazer am besten steht? Richtig! Genauso wie man es auch im echten Modelleben herausfinden würde. Und zwar nicht mit einem Fitting und Polaroids, sondern mit Heißklebepistolen und Bastelscheren. Deshalb warten in einem Séparée bei der Casting-Location vier neutrale Blazer auf die Models, die je nach persönlichem Stil umdekoriert werden sollten. Wer es also je gewagt hat, die Modebranche für ihre Oberflächlichkeit zu verurteilen, wird hier eines besseren belehrt. Denn es wird nicht nur Kreativität gefördert, sondern individuell auf die einzelnen Talente eingegangen. Etwas, das in Ganztagsschulen noch als reine Utopie gehandhabt wird.
Einen Haken hat die Aufgabe jedoch: der Blazer soll am Ende die Persönlichkeit eines jeden Models widerspiegeln, was für mich bedeuten würde, dass ich nicht umhin käme, Weinflaschen anzubinden und Pommes inklusive medium gebratenem Steak einzunähen. Trixis Persönlichkeit ist ihrem Outfit nach zu urteilen, eine geistig verwirrte, da sie es nicht schafft, in die Ärmel hinein zu schlüpfen, sondern sie stattdessen um ihren Bauch bindet. Bruna hat die Aufgabenstellung nicht verstanden, denn den zahlreichen Knöpfen nach zu urteilen, die sie auf den Blazer näht, sieht sie sich als Jim Knopf. Als wer sich Christina sieht, habe ich nicht ganz verstanden. Möglicherweise als zukünftige Dschungelcampkandidatin, denn sie beschließt ihren Blazer, zumindest einseitig, zu teeren und zu federn. Als die beiden Castingdirektorinnen sie fragen, was sie sich dabei gedacht hat, meint sie, dass sie etwas machen wollte, das man (dankenswerterweise) nicht so oft sieht. Und wenn man kein regelmäßiger „Lucky Luke“-Leser ist, bei dem ständig Leute geteert und gefedert werden, hat sie auch vollkommen recht damit.
Sally muss durch den Monsun
Die eigene Persönlichkeit zum Ausdruck bringen, ist auch in Los Angeles gefragt und zwar beim anstehenden Videodreh, bei dem dieses Mal eine Emotion glaubhaft rübergebracht werden muss. Damit das nicht zu einfach ist, darf jeweils das gegnerische Team die zu verkörpernde Emotion bestimmen. Und weil sich Mädchen trotz „Girlpower“ und „Sisterhood“ noch nie was geschenkt haben, bekommt natürlich jede genau die Emotion aufgehalst, die am allerwenigsten zu ihr passt. Besser hätte es die Redaktion auch nicht machen können. Sally nimmt es gelassen. Sie hatte Schauspielunterricht, da ist das keine Herausforderung für sie. Sally bekommt von ihren Kontrahentinnen die Emotion „flirty“ zugeteilt. Flirty??? Nein, das geht nicht! Wie kann es sein, dass sie von allen menschenmöglichen Emotionen genau die eine erwischt, die nicht möglich ist? Das grenzt ja fast an Verschwörung. Vor allem die Umsetzung dieser Emotion ist für Sally ein Ding der Unmöglichkeit. Wie soll man schließlich „flirty“ sein, wenn am Set vier Tänzer der „Magic Mike Live“-Show auf einen warten? Das passt ja gar nicht. Heidi hingegen ist happy – sie ist begeistert von den strippenden Muskelmännern. Und dabei hätte doch genau sie jedes Recht der Welt gehabt, die weit jüngeren Anfang-Dreißiger als unattraktiv zu empfinden. Sind sie doch fast doppelt so alt und zweimal so breit wie das aktuelle Beuteschema der Klum. Kann aber natürlich sein, dass sie aufgrund zunehmender Kurzsichtigkeit, wie sie es in den vorherigen Staffeln immer gerne zur Schau trug, den langhaarigen Stripper mit Neo-Lover Tom Kaulitz verwechselt hat und deshalb kaum Abstand von den vergleichsweise unerhört alten Typen halten wollte. Nur gut, dass kein Balkon in der Nähe war, denn da sollen sich in letzter Zeit ja lauter ungewollte Dinge ereignen, wie ich gehört habe.
Wer hat Angst vor Heidis Hilfestellung?
Der Dreh ist simpel: jeder muss dieselbe „Ich muss zu meiner Hochzeit und mein Auto ist kaputt“-Szene spielen und dabei in seiner Emotion bleiben. Die Mädchen schlagen sich passabel, bis auf jene, denen Heidi beschließt zu „helfen“. Wie der schüchternen Stephanie, deren größte Herausforderung neben der Emotion „flirty“, die englische Sprache ist. Also wird sie von Heidi aufgemuntert, Stripper Nummer eins in ihrem Beisein mächtig anzuflirten. Das Resultat erinnert jedoch eher an eine Zwangsstunde beim Logopäden, als an eine sexy Szene in einer Bar. Und auch Klaudia mit K muss notgedrungen Heidis Hilfe in Anspruch nehmen, als sie verrät, dass sie einen der Stripper ganz süß findet. Kapitalfehler. Wie Vera Int-Veen von „Schwiegertochter gesucht“ macht sich Heidi sofort auf, um Klaudia mit K mit ihrem Herzensmann zu verkuppeln. Weil es aber genau der ist, der so aussieht wie Tokio-Hotel-Gitarrist Tom Kaulitz, macht Heidi das auf so ziemlich die unangenehmste Art wie nur geht. Gerade, dass sie nicht „Klaudia will dein Lulu sehen!!!“ herausbrüllt. Tochter Leni hat daher jetzt schon mein vollstes Mitleid, wenn sie ihren ersten Freund mit nach Hause bringt. Und das nicht nur weil sie Gefahr läuft, ihn von der eigenen Mutter ausgespannt zu bekommen.
Voll Anmut steht sie da – die Miss Topmodel in Amerika
Wenn es der Redaktion wieder einmal zu friedlich wird, wird es Zeit für die ultimative Allzweckwaffe, die GNTM zu bieten hat: die Mädels aufeinander loslassen und sie entweder sagen lassen, welche Kandidatin es nicht verdient weiterzukommen oder einfach nur sagen lassen, welche sie besonders blöd finden. Diesmal getarnt in Form einer Miss-Wahl, bei der sie verklickern müssen, weshalb die anderen Kandidatinnen unfähig sind. Objektiv und nicht verletzend ist die Devise, die den Models aber erst nachdem sie ihre Ansprachen geschrieben haben, mitgeteilt wird. Hoppala. Dieses kleine Detail ist scheinbar untergegangen, also stürzen sich die Models in ihr bösartigstes Inneres, um diese Aufgabe bestmöglich zu bewältigen. Sally, die ihr bösartigstes Inneres sowieso am liebsten nach außen trägt, ist begeistert. Endlich eine Prüfung, bei der sie den anderen die Augen öffnen kann, sollten denen von ihrem ständigen Gejammer noch nicht die Ohren abgefallen sein. Sallys Opfer ist YouTuberin Abigail, der sie mit einem gnadenlosen „Rap“, der im Endeffekt keiner ist, den Garaus machen will. Taktisch klug, vor allem weil es bei einer Miss-Wahl nie um Sympathiepunkte geht. Auch Heidi gibt Sally den lieb gemeinten Rat, dass der Ansatz ja ganz gut war, sie aber dann doch wie eine gehässige Zicke rüberkam. Ein Tipp, den sich auch besser Christina, die ihr Gesicht nicht leiden kann, zu Herzen hätte nehmen können, denn die mutiert plötzlich zu Two-Face und lästert hinterrucks sowohl über Abigail – als auch mit Abigail über Sally. Ein gewagtes Terrain, vor allem weil die Gute nicht mitgekriegt hat, dass Kameramikros auch Ton aufnehmen können, wenn sie sie nicht mit dem Scheinwerfer auf einen gerichtet sind. Aber gut, alles kann man nicht wissen. Beeindruckt hat mich dann aber doch ihre Rede, die mich an die Weisheiten von Marina Hoermanseder bei „Austrias Next Topmodel“ erinnerten: „You can take your body to the gym – but you can’t take your face to the gym“, knallt Christina Konkurrentin Sara ins Gesicht. Spannend, schließlich dürfte diese Erkenntnis aufgrund von Selbstversuchen entstanden sein. Sara springt jedenfalls auf den Zug des Gesichts-Bashings auf und kontert damit, dass sie aber das bessere Gesicht hat. Ein eigenartiger Streit, der damit beigelegt wird, dass Heidi ihre persönliche Philosophie zum Besten gibt: „Alle Menschen sind schön“. Danke, Heidi. Immerhin wissen wir jetzt, dass du dich in deinem Wilma-Feuerstein-Kleidchen auch attraktiv findest.
Klaudia mit Klasse
Auch die restlichen Ansprachen der Mädels sind zermürbend – nicht wirklich gemein, aber inhaltlich so zerpflückt, dass man nur annehmen kann, dass die Redakteure böse reingeschnitten haben, oder die amtierenden Missen während ihren Plädoyers in regelmäßigen Abständen einen Schlaganfall erlitten haben und neu ansetzen mussten. So etwa Zoe, die erläutert wie lang Klaudias Haare sind und im selben Atemzug berichtet, dass sie selbst aber eine starke Persönlichkeit hat deshalb Miss Topmodel wird. Inhaltliche Brücke – nicht vorhanden. Klaudia mit K ist tatsächlich die Einzige, die etwas Sinnhaftes auf die Beine stellt, ohne eine einzige Beleidigung auszusprechen. Wer also nach dem unterhaltsamen Videodreh noch immer nicht restlos von Klaudia mit K begeistert ist und sie bedingungslos liebt, der tut es jetzt! Heidi ist ebenfalls dieser Meinung und krönt Klaudia mit K zur Miss Topmodel. Als Belohnung darf Klaudia nicht nur bleiben, sondern auch bestimmen, welche der eliminierten Kandidatinnen heute nicht rausfliegen muss. Zoe ergreift sogleich die Gelegenheit Klaudia mit K ein Bussi zu geben. War sie doch diejenige, die Klaudia zuvor beleidigen musste und Vorsicht ist schließlich besser als Nachsicht. Gewackelt haben dann aber Stephanie, bei der Heidis Flirt-Tipps nicht fruchteten, und Trixi, die nach Heidis Hilfe beim Videodreh eher stockbesoffen als arrogant wirkte. Und kaum, dass man denkt Klaudia mit K nicht noch mehr lieben zu können, macht sie das, was kaum ein anderer in einem Wettstreit getan hätte: sie gibt der stärkeren Konkurrentin Trixi noch eine zweite Chance und sichert sich damit endgültig einen Platz in unserem Herzen und hoffentlich im Finale.
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