The Voice of Germany – Auftakt zur 8. Staffel

 

 „Der Neue“ oder „Music is the key, wie Sarah Connor schon sagte“

 

Es wird sich wieder geherzt, als wahrer Künstler voll respektiert und kollegial die Musik gelebt – Nein, nicht „Sing meinen Song – Das Tauschkonzert“ ist in noch erfolgloserer Besetzung zurück (haben die doch wirklich das letzte Mal die Schwester des Lieblings der Nation Tina York eingecheckt, aber nicht Tina York!!!), sondern „The Voice of Germany“, wobei der Juroren-Cast doch einiges vom VOX-Konkurrenten abgekupfert hat. Und so wird „Sunrise Avenue“-Frontmann Samu Haber – der sich aktuell nicht nur einem „The Voice“-Entzug unterzieht – von einem anderen Typen mit ausländischem Akzent ersetzt.  Funktioniert die „Unfucking fassbar“-Masche doch seit Rea Garvey einwandfrei. Nicht mal der ganz linke Drehstuhl (vom Fernsehzuseher aus) wird getauscht. Dort hat der zu sitzen dessen Muttersprache nicht Deutsch ist. Und Basta. Wäre doch auch was für Sylvie Meis, könnte die singen und wäre männlich – schließlich ist seit Anbeginn dieser Sendung ja nur ein weibliches Exemplar pro Jury vertretbar. Und dass es ins Auge geht, wenn sich ein zweites dazugesellt, ist uns spätestens beim Mutter-Tochter-Gespann „Larena“ (bestehend aus Nena und ihrer völlig unbekannten Tochter Larissa) klar geworden. Also gönnt sich die Feministin in uns eine kurze Pause und streckt beide Daumen hoch für den neuen testosterongetriebenen Coach im Team.

Achtung, Achtung, wichtige Durchsage! Er ist ein Star – ich wiederhole – ER IST EIN STAR

 

Und wer folgt dem Schnuckel aus Finnland, der im letzten Jahr mit einer längst in Vergessenheit geratenen Person den Sieg einheimste? Ein Star! Ein internationaler Superstar! (Der es nur im deutschsprachigen Raum jemals zu Bekanntheit schaffte. Vor einem viertel Jahrhundert. An der Seite von gefühlt 47 anderen Bandmitgliedern.) Paddy Kelly! Ja, wirklich! PADDY KELLY!!!! Jetzt aber seriös und gereift, daher „Michael Patrick“ Kelly. Nachdem er schon bei „Sing meinen Song – Das Tauschkonzert“ als ultraberühmt verkauft wurde, glaube ich es mittlerweile auch fast und google alte Paddy-Bilder um mir bewusst zu machen, wie alt ich eigentlich geworden bin, wenn der in der Blüte meiner Kindheit als Gemeinschaftsobjekt der Begierde durchgegangen ist.

 

Damit man aber sichergeht, dass auch der letzte Horst aus Oberpullendorf mitbekommt, dass er heute viel berühmter ist als früher, singen seine „The Voice“-Kollegen bei Einzug des neuen Jurors eine Lobeshymne auf seine schier unfassbaren Erfolge – die er alle eigentlich seinem damals noch ansehnlichen und zuckersüßen Bruder Angelo zu verdanken hatte, der heute als „Undercover Boss“ bei RTL tätig ist. Aber ich bin überzeugt. Restlos. Paddy Kelly ist ein Star. Und auch das Publikum rastet aus. Tut so, als wäre Bradley Cooper höchstpersönlich erschienen, der mit euphorischer Handbewegung auf Michael Patrick zeigt und schreit: „A star is born!“

 

Surprise, Surprise

 

Nachdem das geklärt ist, kommt der erste Kandidat. Ich habe nicht die geringste Ahnung welches Geschlecht er oder sie hatte, geschweige denn welcher Song gesungen wurde – es war jedenfalls ein Viererbuzzer. Wie in jeder Staffel bisher beim ersten Kandidaten. Man will ja zeigen, wie talentiert man bei „The Voice“ ist. Und wie anders diese Musikshow ist, die niemanden diskriminiert. Bis auf tatsächlich berühmte Künstler, die längst nicht so hochgefeiert werden wie Michael Patrick bei „The Voice“. Lena Gercke freut sich trotzdem über den erfolgreichen Staffelauftakt und will mit der Familie des Glücklichen einschlagen. Und wird beinhart hängen gelassen. Aber wie soll ein Mensch unter 1.94 Meter auch ihre hochgestreckten Arme bemerken? Lieber abwarten und Tee trinken. Oder Melitta! Damit die sekündliche Produktplatzierung, mit der alle Teilnehmer jetzt traktiert werden, auch hier im Blog wertgeschätzt wird.

 

Ich wollte immer schon Sänger werden

 

Indessen auf der Bühne: die quälend ewige Rangelei um die besten Kandidaten beginnt. Sodass am Ende eine zweistündige Show mit insgesamt nur zwölf Minuten Gesangseinlagen gefüllt werden kann. Das Talent sagt, es wollte immer schon Sänger werden. Paddy ist geflasht. „Woooow“, schießt es aus ihm raus. Bin gespannt, wie lange die Begeisterung anhält, wenn ihm das ab sofort absolut jeder erzählt. Kandidat Numero uno,  der natürlich auch die Begeisterungsstürme um den neuen Juror mitbekommen hat und eventuell vor dem Bühnenauftritt von einem Prosieben-Showmaster kurz erpresst wurde, entscheidet sich für Michael Patrick. Auch Kandidatin Nummer zwei dürfte vorab mit dem Leben ihrer Familien bedroht worden sein – denn die entscheidet sich prompt dazu nicht nur in das Team von Michael Patrick zu gehen, sondern auch noch einen seiner eigenen Songs zu singen! Da muss sich Paddy ja umdrehen, man will es sich schließlich nicht mit den letzten Überbleibseln der Fangemeinde verscherzen. Nur wegen der Kelly-Family habe sie zu singen begonnen, schwärmt die Kandidatin weiter. Jetzt ist aber gut. Spätestens ab diesem Moment wird klar, dass die Madame wohl eher nicht als Straßenmusikantin, sondern als Ferialpraktikantin bei Prosieben tätig ist, die nochmal die Berühmtheit von Michael Patrick untermalen soll. Botschaft angekommen. Michael Patrick Kelly ist ein Star! DER Star! Und zwar DER Star, der jetzt in die Bredouille kommt, weil sein Team vor lauter zwangsbeglückten Paddy-Fans bald übergeht. Vor allem die verrückte Kandidatin Nummer 2 braucht er eigentlich nicht in „Team Paddy“ und versucht es mit dem schlagenden Argument: „Nur weil jemand ein Fan von jemandem ist, heißt es nicht, dass er nur dort seine musikalische Inspiration schöpfen muss.“
Nice try, Paddy – dass Fans nicht immer rational handeln, hätte ihm schon Madonna sagen können, die einst Zeugin wurde, als ihr benutzte Damenbinden aus dem Hausmüll gestohlen wurden. Hier also Paddys nächster Platzhalter-Kandidat, der sich spätestens beim Battle wünschen wird, „an angel“ zu sein, um sich selbst vor der Eliminierung zu schützen.

 

Der undankbare dritte Kandidat

 

Dann: der dritte Kandidat. Der noch nie weitergekommen ist, weil ab diesem Zeitpunkt der Sendung (wo schon zwei kurze Werbeunterbrechungen eine Nettosendezeit von 45 Minuten verursacht haben) ein nicht ganz so guter Kandidat für die ehrenwerte Talentshow verkraftbar ist. Da er ein Österreicher ist, ergreift man aber zumindest noch die Chance sein Vorstellungsvideo mit Andreas Gabalier zu unterlegen. Classy. Und dann! Ein Schockmoment! „The Voice“ switcht sein bewährtes Skript und der Typ singt richtig klasse! Und zwar die längst abgenudelte Jon-Bon-Jovi-Nummer „Bed of Roses“! Ich bin innerlich erschüttert, weil die Vorhersehbarkeit der Sendung doch ein Grund ist, sie zu schauen. Als es auch noch ein Viererbuzzer wird und mir klar wird, dass die nächsten 25 Sendeminuten exklusive Werbepause wieder mit überflüssigen Coach-Streitereien befüllt werden, erschaudert es mich gleich noch einmal. Da hilft auch nicht die Vorfreude auf die irre Piratenfrau, die schon vor der letzten Werbepause unterhaltsam beworben wurde. Also verflüchtige ich mich auf Instagram und andere Social-Media-Kanäle und lasse mich berieseln. Abschalten tu ich trotzdem nicht. Will ich doch meine Bestätigung erhalten, dass zumindest Kandidatin vier das Handtuch werfen muss. Und das muss sie auch. Selbst wenn sich die Coaches noch so sehr ins Zeug werfen auf ihren Stühlen so zu tun, als würde ihnen gefallen, was sie hören.

 

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