Servus die Madln! Obwohl GNTM für die diesjährige Staffel von allem etwas mehr versprochen hat, ist doch ein Versprechen ausgeblieben: Mehr Reisen! Tschüss Mailand und Paris, in Folge zwei geht es in die einzig wahre Fashion-Metropole: Tirol. Durften die Models im Vorjahr bei karibischer Hitze und in dicken Fellmänteln bekleidet Trampolin springen, so müssen sie heuer in High Heels und Bademode Ski-Feeling zum Ausdruck bringen. Schon verrückt diese Modewelt.
Heidi liebt die Berge – nur Indien mag sie noch lieber
Die Folge beginnt und uns schwant Böses. Es geht in die Berge. Wie lange wird es wohl dauern, bis Heidi zum millionsten Mal ihre Jodel-Fähigkeiten unter Beweis stellt? Dreieinhalb Sekunden. Wäre das also auch erledigt. Nur noch vier Mal jodeln, dann ist Finale. Transgender-Model Tatjana freut sich. „Ich wollte immer schon mal nach Österreich!“ Hätte sie mal besser bei „Austria’s Next Topmodel“ mitgemacht – die haben Österreich kein einziges Mal verlassen, bis auf einen Exklusiv-Ausflug nach Excalibur-City. Ganz nach dem Motto „Daheim ist’s doch am schönsten“. Auch Heidi freut sich über den Besuch in Österreich und das nicht nur weil sie fälschlicherweise annimmt, dass man dort statt mit Mobiltelefonen mit Jodelgesang kommuniziert. Und weil Handys somit überflüssig sind, werden alle zu Beginn der Folge einkassiert. Ein Hoch auf den guten, alten Kommunismus, der nun auch im Heidi-Regime seinen Eingang gefunden hat.
Noch ein letztes Wort
Anastasiya sieht es gelassen – ist sie aus der Heimat nicht viel anderes gewohnt. Allerdings hat sie auch keine 25.000 Follower, die sie mit einem Schlag bei zu viel Social-Media-Abstinenz
verlieren könnte. Die Mädchen dürfen vor der Zwangsenteignung noch ein letztes Mal mit ihren Liebsten telefonieren. Sogleich der erste Skandal: Der Akku von einem Mädchen ist leer. Das Resultat:
ein Heulkrampf. Wobei mir niemand einreden kann, dass da keine Einzige eine Powerbank einstecken hat. Auch beim erfahrenen Model Vanessa laufen die Tränen – darf sie noch ein letztes Mal mit
ihrem Verlobten telefonieren. „Ich liebe dich und ich will ein Kind von dir!“, schreit sie dem überrumpelten Mann in den Hörer. Als wäre sie eine Märtyrerin kurz vor der Deportation. Oder aber
sie hat das Format verwechselt und statt Heidi Klum eigentlich Andrej Mangold erwartet: Ist das doch der Zaubersatz der diesjährigen „Bachelor“-Staffel, um sich reibungslos in die Dreamdates
hinein zu manövrieren. Beides würde mich jedenfalls als Verlobter beunruhigen.
Heidi aber ist inspiriert von Vanessas Worten und beschließt ihrem Tom selbiges mitzuteilen. Lässt sich so ein Babybauch in der winterlichen Landschaft Söldens doch weit besser kaschieren als in
der tropischen Hitze der Dominikanischen Republik.
Nierenbeckenentzündung die Erste
Für die erste Team-Challenge hat sich Heidi etwas ganz Besonderes überlegt: Die Mädchen shooten wintertaugliche Ski-Kleidung – also High-Heels, bauchfreie Tops und Jeansshorts, mit einer weltweit anerkannten Starfotografin: Heidi! Denn warum nur auf Jurymitglieder verzichten, wenn man auch die Fotografen in die Arbeitslosigkeit treiben kann? Und solange Heidi nicht selber im Bild ist, ist ihr die Fotoqualität sowieso wurscht. Philosophin Anastasiya hat eine These, warum ihr Schnappschuss trotz Heidi Klum hinter der Linse besonders schön wird: „Leute, die gut aussehen, sehen auf Fotos auch meistens besser aus, als Leute, die nicht gut aussehen.“ Nun gut. Wobei, ganz stimmt es dann auch wieder nicht: Die zugegeben hübsche aber unerfahrene Jasmin ist an der Reihe und die Karten stehen schlecht, sich gegen ihre Shooting-Kontrahentin durchzusetzen. Trotzdem bekommt sie reichlich Unterstützung von ihrem Team: „Du schaffst das, Jasmin!“ „Bleib locker!“ „Wohooo, Team Ice Cream!“, feuern die Mädchen sie an, nur um sie zwei Sekunden später, als Jasmin sie nicht mehr hören kann, völlig auszurichten: „Das schafft sie nicht.“ „Ne, nie.“ „Der Punkt wird an die anderen gehen. Leider.“ Es geht einfach nichts über ehrliche Freundschaften.
Wo sind Anastasiyas Geschenke?
Im Klum’schen Kommunismus herrscht das klare System einer Strafkolonie: Wenn einer verkackt, kommen auch die anderen zum Handkuss. Also muss das Verliererteam in eine einsame Berghütte ziehen. Auf die Gewinner wartet ein Luxushotel. Ohne Smartphone allerdings auch unnötig. Was bringt das schönste Zimmer, wenn man es niemandem auf Instagram unter die Nase reiben kann. „Ich dachte, wir kommen in eine Modelvilla und bekommen Geschenke“, zeigt sich Anastasiya aus dem Verliererteam überrascht. Dabei gibt es doch Geschenke! Schlafsäcke und ranzige Hausschlapfen für alle und bei besonders guter Führung noch ein Stückchen Brennholz oben drauf – Herz, was willst du mehr? Und trotzdem tun die Mädchen so, als hätte man sie statt in einem Söldener Airbnb in einem sowjetischen Gulag untergebracht. Jasmin versucht die schäbigen Zimmer mit persönlichen Gegenständen aufzuwerten und packt ihre Kommunionskerze mitsamt Kommunionskleid aus. Nach dem Einlauf im Handgepäck einer Bachelor-Kandidatin, überrascht mich jedoch nichts mehr so leicht.
Nierenbeckenentzündung die Zweite
Zum Shooting mit dem nach Rankin und Heidi drittbesten Fotografen der Welt, Kristian Schuller, geht es hoch hinaus. Auf 3.000 Meter Höhe! Sehr zum Leidwesen von Simone. Denn die hat Höhenangst, wird aber von einem Tiroler Sanitäter-Team liebevoll in einer für sie eigenartigen Fremdsprache umsorgt. Auch Heidi tut die Höhenluft nicht gut und sie erscheint plötzlich wie eine aus Harry Potters Zauberschach entlaufene Darth-Vader-Figur am Set. Muss man sich doch vor Wind und Wetter schützen – etwas, das den Nachwuchsmodels ein weiteres Mal verwehrt wird. Denn die werden bei einer Außentemperatur von minus zehn Grad auch noch vor einen überdimensionalen Ventilator gestellt und dabei mit Schnee beworfen. Da schau ich mir an, dass eine nochmal schreit: „Das macht so Spaß!“ Jasmin findet dieses Fotoshooten ohnehin blöd. Sie mag ja Schnee, aber nur wenn es draußen warm ist. Und die Aussicht genießen durfte sie ebenfalls nicht. Da wäre ich allerdings auch sauer. Wird ja bei einer Gesamt-Shooting-Dauer von drei Minuten nicht zu viel verlangt sein, eine kleine Erholungspause einzulegen. Oder wo ist die Arbeiterkammer, wenn man sie schon einmal braucht?
Bist du katholisch? Du gehst, als hättest du ein Kreuz verschluckt
Während die einen noch fotografieren, bekommen die anderen als Beschäftigungstherapie ein Teaching von einem Weltstar: Wolfgang Joop! Dem erfolgreichsten Designer aller Zeiten! Zumindest wenn es nach Heidi geht. Menschen wie Karl Lagerfeld oder Donatella Versace kennen wir hier bei GNTM nicht. Tatjana ist entzückt. „Wolfgang ist soooo lieb zu allen Mädchen!“ Tatjana hat scheinbar letztes Jahr nicht zugeschaut, als Wolfgang Joop binnen fünf Minuten in den Augen der Mädchen vom liebsten Menschen der Welt zum größten Arschloch der Nation mutierte. Anastasiya ist erneut unbeeindruckt und erkennt Wolle nicht einmal. Vielleicht doch nicht so der Weltstar, wenn sich seine Designs nicht mal bis nach Russland durchgesprochen haben. Trotzdem hat Wolfgang ein paar gute Tipps für die Russin parat, unter anderem beim Laufen weniger zu grinsen. „Ich kann nicht, ich hab zu viele gute Ausstrahlung (sic!)“, nimmt Anastasiya den Ratschlag dankend an. Auch der Hinweis, dass eine andere Haarfarbe ihr besser stehen würde, findet bei Anastasiya Gehör. Zumindest fast: „Der Arme ist schon fast 80, man versteht ihn gar nicht!“, kommentiert sie mit lupenreiner Aussprache. Außerdem findet sie, dass blond sowieso viel besser zu ihrem Charakter passt. „Ich bin sehr einfach, ich denke nicht viel nach, daher passt zu mir die blonde Haare. (sic!)“
It’s all just a little bit of history repeating
YouTuberin Enisa, deren superlustige Prank-Videos erneut meinen Glauben an zukünftige Generationen erschüttern, kommt bei Joop direkt besser an: „Du kannst das, du Aas!“, jubelt dieser ihr zu. Ein Schlag für Enisas „beste Freundin“ Vanessa, die sie schon mindestens dreimal in ihrem Leben zuvor gesehen hat. Enisa bekommt Wind davon, dass Bestie Vanessa sich möglicherweise nur an ihren Instagram-Abonnenten bereichern will und bricht plötzlich einen gewaltigen Streit vom Zaun. Darin wirft sie Vanessa vor, die Freundschaft nur vorzugaukeln, um mehr Sendezeit zu bekommen. Unmöglich! Haben das doch bereits Jay Kahn und Indira Weis im Dschungelcamp versucht und sind kläglich daran gescheitert. Man wird doch wohl aus der Geschichte lernen? Aber im Grunde ist als Freundinnen die Show zu betreten, ein Himmelfahrtskommando für sich. Hat noch keine dieser vielzitierten Freundschaften bis zum Ende einer Staffel durchgehalten. Fragt sich nur, ob wir diesmal statt Gucci-Gang-Sexgeständnissen unspektakuläre Enthüllungen zu gekauften Followern bekommen.
Nierenbeckenentzündung die Dritte
Auch bei der Entscheidung müssen die Models wieder leichtbekleidet durch die Alpen staksen. Heidi hingegen entscheidet sich für eine hellrosa Daunenjacke mit zwölf Quadratmeter Fläche, die sie wie ein Nacktmull im Fatsuit aussehen lässt. Die Mädchen bekommen dann aus Gnade immerhin einen dünnen Frottee-Bademantel übergeworfen, als sie auf ihr Urteil warten, das heuer zumindest, nicht nur den Temperaturen geschuldet, kurz und schmerzlos über die Bühne geht: Muss Heidi schlicht und einfach nicht mehr so tun, als würde sie andere Meinungen in Betracht ziehen. Kein Wackeln, kein Shoot Out. Nur das Wort Heidis und eine Kompromiss-Wildcard für Wolfgang Joop.
Anastasiya muss am Ende neben ein paar weiteren akzentbeladenen Mädchen die Show verlassen. Ob sie das auch verstanden hat, weiß ich nicht. Zur Not kann sie sich zum blinden Passagier Bruna gesellen, der man wahrscheinlich bis heute nicht vermitteln konnte, dass die letzte Staffel seit acht Monaten abgedreht ist.
Kommentar schreiben