Sieh an, sieh an! 15 Staffeln später und endlich fruchtet die Klum’sche Erziehung! Kein Aufschrei, wenn man sich als knapp entwachsener Teenager splitterfasernackt im Fernsehen präsentieren muss, keine Widerrede, wenn Heidi einen wieder mal mit voller Inbrunst beim Catwalk-Training nachäfft und nicht einmal große Proteste, wenn die Models Laufstege absolvieren müssen, die nicht einmal der Klum in ihrer 30-jährigen Modelkarriere auch nur ansatzweise untergekommen sind. Aber gehen wir zurück an den Anfang.
Ich wünsch dir Laufen ohne Leiden …
25 verbliebene Mädchen tummeln sich munter in ihrem Model-Camp in Costa Rica – auch bekannt als „Schlumpfhausen“, wie Heidi es tituliert. Lässt erahnen, dass die Modelmama wohl eine andere Unterkunft für ihren mehrwöchigen Aufenthalt gewählt hat. Trotz Fehlen angemessener Sanitäranlagen wagt sich die Klum in Woche drei dann doch halsbrecherisch zu ihren Mädchen – ist sie halt doch eine von ihnen. Auf einen kurzen Plausch muss dennoch verzichtet werden – ein Laufsteg-Coaching steht auf dem Programm. „Die eine oder andere hat’s wirklich noch nötig“, resümiert Heidi. Und das nach ganzen zwei Episoden! Eine Schandtat. Lucy fühlt sich angesprochen und hat sich zum Ziel gesetzt, langsam in ihrem Walk besser zu werden. Langsam ist immer gut. Wir erinnern uns an Justine in Staffel 14, deren Persönlichkeit gerade einmal eine Woche Zeit bekommen hat, sich vom schüchternen Mädchen in einen unerschrockenen Vamp zu verwandeln und da war der Klum’sche Geduldsfaden schon stark strapaziert, aber klar! Take your time, Lucy – hat man in unserer Leistungsgesellschaft eh schon genug Stress.
Dass man das Laufen in High Heels theoretisch auch schon vor Antritt der Show lernen könnte, kommt allerdings kaum jemandem in den Sinn. Lerne ich schließlich auch kein Französisch, bevor ich mich in der französischen Botschaft als Dolmetscherin bewerbe. Wird der Satz „Learning by doing“ nicht von ungefähr kommen und genau das machen die Models jetzt. Seltsamerweise scheinen Heidis heiße Tipps auch nach 15 Jahren nur eine geringe Erfolgsquote zu erzielen. Möglicherweise weil sie es bevorzugt, die Models nach ihrem Scheitern nachzuäffen, statt ihnen zu zeigen, wie es richtig geht. Andererseits sehen die Models sich sonst nicht selbst, merkt Durchblicker Heidi an – da kann so eine gut gemeinte Parodie des persönlichen Laufstils schon augenöffnend sein! Und fürs Ego ist das bestimmt auch förderlich. Aber was weiß ich schon – ich halte vier Centimeter Absatz noch immer für die maximal zulässige Höhe, um noch irgendeinen Funken Lebensfreude beim nächsten Schritt zu verspüren. Heidi aber ist natürlich anderer Meinung: „Das hat nichts mit dem Schuh zu tun, das bist leider du“, erklärt sie etwa Lucy, die ihre Vorstellung, es ruhig angehen zu lassen, vielleicht am besten jetzt über Bord werfen sollte.
Von Extrawürsten und Pferdeschwänzen
Während sich die weiblichen GNTM-Fans alljährlich auf das Umstyling freuen, gibt es für die zwangsbeglückten Boyfriends vor den Bildschirmen jetzt immer schon extrazeitig das normalerweise höchst gefürchtete Nackt-Shooting. Nicht aber in dieser Staffel – denn weder das Fehlen von Nippel-Pads noch vom hautfarbenen String-Tanga löst Entsetzen aus, sondern der tierische Shooting-Partner. Ausgerechnet ein Pferd überschreitet jegliche Toleranzgrenze der Models – wichtiges Indiz, dass diese Generation scheinbar nicht mehr mit „Wendy“ und „Bibi und Tina auf Amadeus und Sabrina“ aufgewachsen ist. Tamara mäkelt: „Ich fühl mich so wie die eine von Adam und Eva …“ (also Gertraud …?) und setzt nach: „Nackt auf einem Pferd? Das ist low key disgusting.“ Oder aber: Ein Fall für Vagisan Scheidenpilzcreme! Andererseits bietet das bisschen Pferdehaar vielleicht auch ganz guten Schutz, in einer Zeit, in der der brasilianische Nacktmull der Longbob des Intimbereichs ist.
Heidi ist es besonders wichtig, dass sich nicht nur die Pferde, sondern auch die Models bei ihrem ersten Nackt-Shooting wohl fühlen. „Und deshalb habe ich mir gedacht, ist es schön, mit einer Frau zu fotografieren!“ Und mit ihrem männlichen Assistenten. Und dem gesamten männlichen Produktionsteam von Prosieben, in dem sogar Maskenbildner Jamal alles andere als weiblich ist.
Transgender-Model Lucy, deren Geschlechtsorgan noch nicht dem weiblichen Körper angepasst ist, bekommt von Heidi eine Sonderbehandlung in Form einer Unterhose. Lucy aber lehnt selbstbewusst ab. Sie will keine „Extrawurst“. Schelm ist, wer hier Böses denkt und auch ich werde mir jeglichen Wortwitz an dieser Stelle verkneifen.
Während Pferdestärke dem Model Nadine sonst eigentlich nicht viel anhaben kann, hat sie doch in ihrer leibhaftigen Form ordentlich Respekt davor. „Ich hab Angst vor Pferden“, erklärt sie Heidi, die sie verständnisvoll, nicht so wie andere Mädchen, einfach ohne Pferd shooten lässt, sondern sie dazu zwingt, ihre Ängste zu überwinden. Danke, für wieder einmal gar nichts. Saskia hat dann auch so ihre Probleme. „Du sitzt da oben drauf und es schaut irgendwie unbequem aus“, kritisiert Heidi. Komisch. Mag daran liegen, dass man normalerweise in gut gefütterte Hosen schlüpft, bevor man ein Pferd besteigt. Andererseits ist so ein Wolf zwischen den Schenkeln auch eine feine Sache, um sich mal wieder richtig zu spüren. Tamara macht ihre Sache gut. „Sie ist ein Naturtalent, sie weiß wo die Kamera ist“, lobt Heidi, die ebenfalls gelernt hat, ihre Ansprüche ordentlich runterzuschrauben. Ist die Fotografin ja nicht immer so einfach zu identifizieren bei der Menge an TV-Kameras, die um einen herum wuseln. „Die Kamerafrau war jedenfalls zufrieden“, fasst Tamara zusammen und bestätigt meine schlimmsten Befürchtungen.
Nicht nur Jesus muss übers Wasser laufen können
Für den Entscheidungswalk hat sich Heidi etwas ganz nach „ihrem Geschmack“ ausgedacht. Niemals ein gutes Zeichen, holt man sich so manch eines ihrer Final-Outfits in Erinnerung. Die Models sollen in Sandaletten durch einen Pool waten. Das ist wichtig – kann dir sowas in deiner Modelkarriere jederzeit passieren! So wie Heidi, die das in ihren 30 Jahren als Model noch kein einziges Mal machen musste und trotzdem ganz O.K. verdient hat. „Das können die nicht machen, da werden wir voll ins kalte Wasser geworfen!“, echauffiert sich ein mir bisher völlig unbekanntes Mädchen, das den wortwörtlichen Sinn ihrer Aussage nicht zu erkennen scheint. Gastjurorin und „Victoria’s Secret“-Model Joan Smalls hat aber den idealen Tipp parat, um trotz wässriger Schikane sexy zu wirken: „The most important thing is, what you think!“ Fuck. Fuck. Fuck. Und „zu Hilfe“ für gewöhnlich, wenn man mich in High Heels über einen zur Gänze überschwemmten Weg schicken würde.
Tamara kommt bei dieser Challenge ganz schön ins Schwitzen – liegt aber ausnahmsweise nicht an dem bevorstehenden Walk, sondern an den 36 Grad Costa-Rica-Hitze und dem Ganzkörper-Plastikanzug, in den Heidi sie stecken lässt. So viel zur Prio Nummer 1, dass sich die Mädchen so richtig wohlfühlen sollen. Da kommt die Dusche, die zu Beginn des Laufstegs platziert ist, gerade recht! Tamara vergisst auf den Job, den sie hier eigentlich zu erfüllen hat, und duscht um ihr Leben. Haben ihr Hair & Make up heute sowieso nicht gefallen. Dass sie dann aber auch noch nach vorne und nach hinten laufen muss, freut sie eher weniger und lässt sie den „Oktopus-Walk“ von Nina-Sue in Woche eins wiederholen. „Bei dir war’s extrem wackelig“, fasst Heidi zusammen und entscheidet sich dafür, ihre Kritik zur Abwechslung einmal freundlich auszudrücken. Denn Heidi hat ein Foto für Tamara – strahlt sie in den Augen der Modelmama etwas Adeliges aus. Also watschelt die Gräfin von und zu Brigittenau anders als Androgyn-Model Malin und Alleskönnerin Saskia in die nächste Woche. Wenig überraschend – konnten wir auf Heidis Instagram-Account schon sehen, dass Tamara an der Seite von Jacky heuer die begehrte amfAR-Gala besuchen wird dürfen. Möge sie bis dahin laufen gelernt haben und es in New York nicht regnen.
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Frida (Dienstag, 18 Februar 2020 22:50)
Loved it as always ♥️�