Germany's Next Topmodel - Staffel 15 Folge 12

In Woche zwölf werden die Models zu „Kalendergirls“! Zwar in der weit weniger gedörrten Variante als das Original, allerdings mindestens genauso leicht bekleidet. Welch eine Ehre, freuen sich die gerade erst volljährig gewordenen und sich nun schon zum zweiten Mal in einem Nacktshooting befindlichen Mädchen. Ist das gute Printwerk, in das sie gelangen, bestimmt mindestens genauso elitär und an Auflagen limitiert wie das Pirelli-Pendant. Landet man also gewiss nur bei geschmackvoller Kundschaft auf den Innenseiten heimischer Häusltüren.

 

amfAR – Der Hotspot von dem RTL und CNN gleichermaßen berichten

 

Auf die Top 10 wartet zu Beginn der Folge sogleich das ehrenhafte, bereits angeteaserte Kalendershooting. Jedes Model soll einen Monat verkörpern. Ideal! Vor allem, wenn die zündende Idee eines Kalenders zwei Wochen zu spät daherkommt, außer wir gehen davon aus, dass zwei Monate dank Corona sowieso zur Gänze verschissen sind. Für den Model-Personalmangel kann also nur eine Rettung in der Not herhalten: Heidi Klum. Wird die sich doch bestimmt mitsamt ihrer fotografischen Vielseitigkeit aufopferungsvoll aufs Cover hieven und dabei die zwei weiteren zu befüllenden Monate gleich mitnehmen, denke ich mir. Aber nichts da! Ist das gute Kalender-Stück für amfAR! Eine Hilfsorganisation, der Heidi Klum wirklich schon genug unterm Jahr karitativ gedient hat und die dank der Modelmama inklusive GNTM-PR-Maschinerie einen Fame-Status erreicht hat, wie ihn nur ein Rankin in der Fashion-Szene vorweisen kann.

 

So scheint die amfAR-Gala nach 15 Staffeln GNTM neben Heidis Halloween-Party das einzig wahre Promi-Event zu sein, für das sich ein jeder Metropolit von Schleswig-Holstein bis nach Baden-Württemberg gleichermaßen interessiert. Elton-John-Geburtstagsparty? Kommt so Gott will nächstes Jahr wieder. Hochzeiten von britischen Royals? Kennen wir, brauchen wir in nächster Zeit nicht nochmal. Aber amfAR-Gala? Die hat wirklich einen Namen! (Den ich jedes Mal aufs Neue googlen muss, um mir endlich zu merken, welchen Buchstaben man jetzt großschreibt und welchen nicht). Tummeln sich in dem Schlauchboot von Red Carpet nämlich jährlich die WIRKLICH berühmten Menschen dieses Planeten. Carina Zavline zum Beispiel – Sechstplatzierte von GNTM 2017, die erst kürzlich mit der Bewerbung der Asia-Ramsch-Anti-Cellulite-Marke „Cellublue“ die Welt um ein Stückchen straffer machte. Und DJ Diplo, den nun wirklich ein jeder ohne Namensschild auf der Straße erkennen würde. Doch bevor wir uns ganz den Stars und Sternchen am Z-Firmament hingeben, ist es an der Zeit, sich wieder um wichtigere GNTM-Anliegen zu kümmern: Heidis Image.

 

Schutzpatronesse Heidi

 

Wenn Holy Heidi eines kann, dann Charity. (Und jodeln natürlich.) Hat sie sich neben amfAR schon für erdenklich alles eingesetzt. Unicef, Unicef oder gar Unicef, you name it. Weshalb auch der aktuellste Bildnachweis ihrer Wohltätigkeit aus dem Jahr 2001 stammt, als man noch Hüfthosen als das geeignete Kleidungsstück für eine Afrika-Wallfahrt erachtete. Bei einem solchen Vorbild kommen Jacky gleich die Tränen. „Es ist so toll, wenn meine Familie erfährt, bei etwas so Großem mitwirken zu dürfen.“ Noch toller wird es für die Familie sein, wenn sie erfährt, dass die 19-jährige Tochter nackt dabei sein durfte.

 

Wiffzack Lijana überreißt natürlich sofort, was beim Shooting auf sie warten wird. „Ich finde, der Bademantel sieht nicht so aus, als könnte man den anlassen“, analysiert sie. „Der ist nicht einmal gebügelt!“ Unfassbar. Bügle ich meinen Bademantel auch für gewöhnlich immer, bevor ich damit vor meinen Freund trete. Beim Shooting läuft es dann natürlich super für Lijana. Nicht super genug, um nachher mit auf die amfAR-Gala zu dürfen, aber trotzdem sehr super. „Du hast so ein herzliches Lachen, da muss man einfach Spaß haben beim Zukucken“, lobt Heidi. Wobei ich für meinen Teil meist genervt bin, wenn ich Lijana zukucke, aber da geht es vielleicht nur mir so.

 

Maribel hat auch mega Spaß bei ihrem Shooting und bringt bei aller Extase ein paar Luftballons, die ihren Körper umhüllen, zum Explodieren. „Das waren die Ballons“, verteidigt Maribel das unangenehme Geräusch, das – wie wir wissen – vor allem bei nackten Arschbacken bombastische Ausmaße annehmen kann. Während das andere unhinterfragt so stehen lassen würden, forscht Audiologin Heidi nochmal nach: „Und ich hätte gedacht, du hast jetzt gepfurzt.“ Soll sich das mal einer trauen, Heidi zu sagen, nachdem sie beim Catering zwecks der guten Verdauung ordentlich bei den Trockenplaumen zugelangt hat.

 

Ying und Yang in New York City

 

Tamara und Jacky haben nicht nur ihre Körpergase unter Kontrolle, sondern auch die beste Leistung beim Shooting erbracht. Also dürfen sie gemeinsam mit Heidi auf die begehrte amfAR-Gala nach New York. Und das obwohl die beiden sooo unterschiedlich sind, wie sie nicht müde werden zu betonen. „Wir haben keine Gemeinsamkeiten“, „Wir sind sooo krass anders“, „Wir könnten einander nicht unähnlicher sein“, kehren sie hervor. Als wäre die eine kleinwüchsig mit acht Zehen und die andere von blau-grüner Hautfarbe mit Schwimmhäuten übersät. Hätten sie mal besser, als Chinesen noch reisen durften, einen von denen befragt, wie wahnsinnig unterschiedlich sie in dessen Augen tatsächlich wirken, aber gut.

 

Bevor es auf die Gala geht, gibt es noch einen kleinen Wissenstest mit Heidi Klum. Ist es immer so nett, sich unbeschwert mit ihr zu unterhalten. Besonders angenehm: als Tamara die Gästeliste laut vorlesen muss und dabei zu erklären hat, wer wer ist. Zugegeben, die Chefredakteurin der US-Vogue Anna Wintour zu kennen, ist in der Modebranche bestimmt kein Nachteil. Wiederum bin ich überzeugt, dass Anna Wintour nicht zugeben würde, eine Heidi Klum zu kennen und dennoch haben beide Damen eine Einladung für diese Veranstaltung erhalten. Um dem freundschaftlichen Geplauder noch ein bisschen mehr Druck aufzuladen, verwandelt Heidi das Fitting mit Star-Designer Christian Siriano in ein verstecktes Casting. Haben ihre Mädchen bei der Fashion-Version des Rechenkönigs schon genug Spaß für einen Nachmittag gehabt. Und außerdem gibt sie auf den Weg, in dieser Branche immer „mit allen Wassern bewaffnet“ sein zu müssen. Man könnte aber auch das Augenmerk darauf legen, wenigstens einmal eine Redewendung richtig zu rezitieren. Vielleicht würden die Mädchen dann endlich verstehen, wovon ihre Modelmama eigentlich spricht.

 

Weil den in Los Angeles verbliebenen Models all dieser Spaß entgeht, warten dort tröstliche Präsente: Nämlich nicht nur 10, nicht nur 20, sondern 100 Lipglosse in jedem erdenklichen Farbton. Die Mädchen rasten aus. Würde ich auch – nie wieder Geburtstagsgeschenke oder Mitbringsel selbst bezahlen. Reicht das Sortiment für meine Freundinnen und mich, bis wir uns statt Banana Beauty auch Kukident auf die Lippen schmieren.

 

Zurück auf der Gala tummelt sich bereits das Who’s-Who der Fashionwelt. Und Jacky und Tamara. Die erkennen zwar Anna Wintour noch immer nicht, dafür die bereits erwähnte Carina Zavline. „Da sieht man, was man durch GNTM erreichen kann“, schwärmt Jacky. „Sie ist wirklich aus eigener Hand nach New York geflogen!“ Wobei mich ein Multistopp-Flug nach Australien mehr begeistern würde, als ein Direktflug nach New York, aber wir wollen die erbrachte Leistung jetzt nicht schmälern. Die Gala an sich ist so wie ein jedes Networking-Event – ob Buchpräsentation im Morawa  oder bei der amfAR-Gala in New York City: Dauerhaft unangenehm und peinlich berührend mit unpraktischen Snacks, die sich nur auf einen Happs verschlingen lassen. Was bleibt sind ein leerer Magen und unbeholfene Small-Talk-Gespräche, die einem im Nachhinein noch millionenfach im Kopf herumgeistern werden.

 

Nicht viel weniger unangenehme Gespräche führen die anderen Models einstweilen mit ihrer Familie via Skype. „Sag, warum bist du eigentlich nicht auf dieser Gala?“, fragt die Mutter von Lijana und lässt erahnen woher das mangelnde Feingefühl der Tochter stammt. „Konzentrier dich nur auf dich“, gibt sie ihrem Kind noch auf den Weg. „Das schaffst du!“, wovon ich wiederum auch überzeugt bin. Ist das eines von Lijanas Spezialgebieten.

 

„Die Julia ist auch rausgeflogen!“, schluchzt indessen die sonst so toughe Nadine ihren sich noch im Halbschlaf befindenden Eltern in den Hörer. „Die Julia ist auch raus? Ohjeee“, leidet Nadines Mama mit ihr und verbirgt dabei bravourös, den Namen Julia zum ersten Mal zu hören. Der Vater wird sich im Nachhinein einfach nur freuen, es mit seiner Streifen-Bettwäsche ins deutsche Fernsehen geschafft zu haben.

 

Schenke Hoffnung! Oder ein Flugticket.

 

Den Gipfel der Peinlichkeit erreichen die Models für gewöhnlich beim Topmodel-Finale, wenn sie Reden schwingen müssen, weshalb sie es verdient haben „Germany’s Next Topmodel“ zu werden. Nicht so in dieser Staffel – denn Chiara „Fawani“ ist hier (Lautsprache à la Heidi Klum) und lehrt den Mädchen, dass man als Model heutzutage nicht nur singen, tanzen und schauspielern können muss, sondern auch eine weltverbessernde Message zu verbreiten hat. Gratis-Tampons sind hier allerdings zu tief gegriffen. Bei GNTM muss schon eine weit bedeutungsschwangere Mission her, wie etwa Liebe auf dem ganzen Planeten säen oder Krebs heilen.

 

„Schenke Hoffnung, schenke eine zweite Chance, weiterleben zu dürfen“, ruft Nadine weinend zur Stammzellen-Spende auf. Ein sehr emotionaler Moment. Nur nicht für Heidi. Die schenkt statt Hoffnung ein Flugticket in die Heimat. Hat Nadine wenigstens genug Wattestäbchen auf ihrem recyclebaren Kleid, um auf dem Weg dorthin noch ein paar Stammzellen aufzugabeln. 

 

Kommentar schreiben

Kommentare: 0